RÜCKBLICK & IMPRESSIONEN
Zum 11. Landesweiten Tag der Genderforschung trafen sich in diesem Jahr Geschlechterforscher*innen, Projektpartner*innen und Interessierte sowohl online als auch zum ersten Mal seit 2019 wieder in Präsenz.
Am 16. November eröffnete Prof.in Dr. in Gundula Ludwig mit ihrer Keynote „Multiple Krisen und ihre Verdichtungen. Feministische Gegenwartsdiagnosen“ den diesjährigen Landesweiten Tag. Der Vortrag wurde vom Projekt gender*bildet im Rahmen der Online-Ringveranstaltung: Das Verhältnis von Rassismus und Feminismus weiterdenken // Wintersemester 2022/23 in Kooperation mit dem Landesweiten Tag angeboten.
Im Vortrag erläuterte Ludwig, inwiefern die Krisendimensionen Corona, Klima, Rechtspopulismus und die Zunahme an Nationalismus und Militarisierung auf vergeschlechtlichten Strukturen und Logiken basieren. Aus der Perspektive feministischer Gesellschaftstheorie wurde ausgeführt, inwiefern diese Krisen u.a. genuin vergeschlechtlicht, androzentristisch und heteronormativ gestrickt sind.
Am 17. November fand der zweite und hybrid ausgerichtete Teil der Tagung an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg statt. Es nahmen bundesweit Online-Gäste sowie zahleiche Interessierte aus Forschung und Praxis vor Ort teil und folgten einem vollen, vielseitigen Programm. Die Tagung bot unterschiedliche Vortrags- und Arbeitsmethoden zum Thema Genderforschung und -praxis in Sachsen-Anhalt. Der Schwerpunkt lag in diesem Jahr auf feministischen Perspektiven und Positionierungen zu Konflikten, Krisen und Kriegen.
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Vorträge
Christiane Winkler (M.A.) eröffnete mit ihrem Vortrag „Birth Justice – Intersektionale Perspektiven auf Ungleichheitsverhältnisse rund um die Geburt“ den diesjährigen Vortragsblock. Sie stellte ihre Masterthesis aus dem Studiengang Angewandte Sexualwissenschaft an der Hochschule Merseburg vor. Winkler konkludiert anhand ihrer empirisch-qualitativen Erhebung, dass im deutschsprachigen Diskurs um reproduktive Gerechtigkeit das Thema Geburt als randständig zu beurteilen ist. Eine intersektionale Analyse von Ungleichheit und Gewalt rund um die Geburt betont die Bedeutung eines systemischen Verständnisses dessen und fokussiert Diskriminierungsprozesse entlang gesellschaftlicher Macht- und Ungleichheitsverhältnisse. Durch Vergleich und Ergänzung der verschiedenen Expert*innensichtweisen wurden anschließend Handlungsempfehlungen u.a. für Versorgungspraxis, Aktivismus und Politik abgeleitet.




























Im Anschluss folgte Miriam Bach (Universität Kassel /Universität Hamburg), Promotionsstipendiatin der Hans-Böckler-Stiftung im Graduiertenkolleg "Vernachlässigte Themen der FluchtMigrationsforschung" mit ihrem Vortrag über „Epistemische Gewalt und partizipative Forschung im Kontext Gender und Flucht*Migration“. Epistemische Gewalt beschreibt, wie Wissen(schaft) in die (globalen) politischen wie gesellschaftlichen Herrschafts- und Gewaltverhältnisse verstrickt ist. In ihrem empirischen Promotionsprojekt im Landkreis Lüchow-Dannenberg geht Bach darauf ein, wie partizipative Forschung strategisch eben jene Verhältnisse der Wissensproduktion konfrontiert und damit auch Forschungsbeziehungen gestalten kann. Anhand konkreter Forschungssituationen stellte sie ihre bisherigen Forschungserfahrungen und -ergebnisse vor.
Podium & World Café
Nach der Mittagspause folgte die hybride Podiumsdiskussion mit den Referentinnen Sarah Fahartiar vom Centre for Feminist Foreign Policy in Berlin, Dr.in Tine Haubner von der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Katharina Warda, freie Autorin mit Schwerpunktthemen Ostdeutschland, marginalisierte Identitäten, Rassismus, Klassismus und Punk aus Berlin.
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Den Auftakt der von Annika Sominka und Verena Stange moderierten Podiumsdiskussion bildeten sehr bewegende und nachdenklich stimmende einführende Statements der drei Speakerinnen bezogen auf den diesjährigen Themenschwerpunkt „Konflikte, Krisen und Kriege“. Diese wurden im Anschluss im Plenum und mit den Online-Teilnehmenden lebhaft diskutiert. In der darauffolgenden Praxisphase in Form eines World-Cafés, das dann ohne Zoompublikum stattfand, wurde gemeinsam mit den Referentinnen und allen interessierten Anwesenden an Thementischen weiter diskutiert. Dabei wurden neben wissenschaftlichen Standpunkten auch persönliche Erfahrungen ausgetauscht. Die gemeinsam konzipierten Gedanken wurden anschließend in einem kurzen Wrap Up vorgestellt. Es wurde deutlich, dass Krisen uns alle betreffen, doch die Auswirkungen für marginalisierte Gruppen oft am stärksten spürbar sind.
Genderforschung & Gleichstellungsinitiativen in Sachsen-Anhalt
Genderstudies in Sachsen-Anhalt
In einem kurzen Rekurs auf vergangene und aktuelle Enwicklungen betonte Michaela Frohberg, Leiterin der Koordinierungsstelle für Genderforschung & Chancengleichheit Sachsen-Anhalt, die große Relevanz kontinuierlicher Bemühungen zur Stärkung und Sichtbarmachung der landesweiten Genderforschung.
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Vorstellung Marianne-Schminder Gastprofessur
Zunächst zogen Michaela Frohberg und Dr.in Tina Jung im gemeinsamen Gespräch Resümee über die aktuelle Lage der Gender Studies in Sachsen-Anhalt. Dabei stellte Tina Jung als zweite Inhaberin der Marianne-Schminder-Gastprofessur ihre wissenschaftliche Entwicklung, ihre aktuelle Forschung sowie ihre Arbeit als Gastprofessorin in Magdeburg vor, bei der sie bereits viele Entwicklungen angestoßen hat und zahlreiche wichtige Kooperationen entstanden sind, die es gilt, im kommenden Jahr fortzusetzen. Insgesamt wurde sehr deutlich, wie wichitg sowohl die Genderforschung als auch das Instrument der Gastprofessur sind. Ziel der Gastprofessur ist die Etablierung von Geschlechterforschung in vielfältigen Kontexten an der OVGU.
Würdigung von Prof.in Dr.in Eva Labouvie
Aus Anlass ihres bevorstehenden Ruhestandes wurde Prof.in Eva Labouvie für ihre erfolgreiche wissenschaftliche Arbeit und ihr großes Engagement als landesweit einzige Professorin mit Teildenomination für Geschlechterforschung geehrt. Die Würdigung wurde durch die Marianne-Schminder-Gastprofessorin Tina Jung und durch Daniela Suchantke vom Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt vorgenommen. Beide betonten die bedeutende Rolle von Prof.in Eva Labouvie für die Geschlechterforschung in Sachsen-Anhalt und für die Sichtbarmachung der Leistung von Frauen für unsere Gesellschaft auch über die OVGU hinaus.
Auszüge aus der Laudatio von Marianne-Schminder-Gastprofessorin Dr. Tina Jung:
„Ich freue mich, heute das Werk und die Verdienste einer Wissenschaftlerin würdigen zu dürfen, ohne deren unermüdliches Wirken für die Geschlechterforschung wir hier und heute nicht in dieser Weise zusammenfinden würden: Es war Eva Labouvie, die erstmals 2003 die interdisziplinäre Fachtagung zur Frauen- und Geschlechterforschung in Sachsen-Anhalt ins Leben gerufen hat. Aus den interdisziplinären Fachtagungen ist ab 2011 der Landesweite Tag der Genderforschung Sachsen-Anhalt heraus entstanden, den wir heute gemeinsam zum 11. Mal begehen.“
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„Die Berufung von Eva Labouvie als Professorin für Geschichte der Neuzeit mit Schwerpunkt Geschlechterforschung an die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg markierte nicht nur den Beginn ihrer professoralen Laufbahn, sondern zugleich den Startpunkt der Institutionalisierung der universitären Geschlechterforschung in Sachsen-Anhalt. Mit Eva Labouvie kam geschlechterforscherischer Schwung nach Sachsen-Anhalt!“
„Die vielfältigen disziplinären & interdisziplinären Aktivitäten, die Eva Labouvie initiierte und unterstützte, ermöglichten eine intensive Vernetzung und Sichtbarkeit der Geschlechterforschung in Sachsen-Anhalt. Eva Labouvie kommt der Verdienst zu, Geschlecht als Analysekategorie in die geschlechterhistorische Forschung insbesondere zur Frühen Neuzeit miteingeschrieben zu haben als auch darüber hinaus mit einem breiten interdisziplinären Horizont von Sozial-, Geistes- und Gesellschaftswissenschaft zu lehren und zu forschen."
Auszüge aus der Laudation von Daniela Suchantke, Geschäftsführung Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt e.V.:
"Es ist Ihre Passion von Anfang an, Frauen aus diesem Schatten herauszuholen, ihnen Sichtbarkeit zu verschaffen und ihnen den würdigen Platz in der Gesellschaft angedeihen zu lassen, der ihnen zusteht. Dies taten Sie in Ihrer Forschung – aber auch in Ihrem Handeln abseits der Universität."
"Historische Frauenforschung – und die Bedeutung von Sichtbarmachung der Lebensleistung von Frauen in der Vergangenheit aber auch im aktuellen wissenschaftlichen Diskurs, dass ist es was Frau Prof. Labouvie mit dem Landesfrauenrat verbindet. Daher ernannte der Landesfrauenrat Sie anlässlich seines 25jährigen Bestehens zur Botschafterin für Gleichstellung."
Posterausstellung
Im ersten Teil der Posterausstellung wurden vier Projekte vorgestellt, in denen Angebote für Austausch und Unterstützung zu genderspezifischen Themen vorgestellt wurde. Den Abschluss des 11. Landesweiten Tages der Genderforschung in Sachsen-Anhalt bildete der 2. Teil der Postersession zu Projekten und Initiativen aus Sachsen-Anhalt. Sie machte die Vielfalt und das Innovationspotential von genderspezifischen Perspektiven in Forschung, Wissenschaft und Kultur im Bundesland deutlich. Die vorgestellten Poster finden Sie am Ende dieser Seite.
Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen Beteiligten, besonders bei den Referierenden und den Postereinreichenden, für eine gelungene und erkenntnisreiche Tagung und freuen uns auf den 12. Landesweiten Tag der Genderforschung 2023.
Die Veranstalter*innen
- Koordinierungsstelle Genderforschung & Chancengleichheit Sachsen-Anhalt
- Prof.in Dr.in Tina Jung (Marianne-Schminder-Gastprofessorin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg)
- Dr.in Dayana Lau (Alice Salomon Hochschule Berlin)
- Dr.in Sarah Czerney (FEM POWER Leibniz-Institut für Neurobiologie Magdeburg)
- Kerstin Schmitt (FEM POWER Hochschule Merseburg)
- Annika Sominka (FEM POWER Kunsthochschule Burg Giebichenstein Halle)
- Verena Stange (MLU Halle-Wittenberg)